Kein Tanz in den Mai, sondern ein grandioser Tanz auf der Pfeifenorgel. Barbara Dennerlein holte aus der Kirchenorgel der evangelischen Kirche in Wiehl den Swing, den Blues, den Groove. Dabei tanzten ihre Finger über die Tasten und die Füße – in originalen Standard-Tanzschuhen – über die Pedale.
Es war eine Wonne ihr dabei zuzuschauen. Zuschauen konnte das Publikum in der Kirche durch die Übertragung auf die große Leinwand die im Kirchenschiff unter der Orgel angebracht war. Die zwei Kameraleute zeigten in hervorragendem Wechsel mal die tanzenden Füße, die über die Tasten schnellenden Finger oder Barbara Dennerlein als Gesamtbild. So gab es nicht nur einen Hörgenuss – auch fürs Auge war das Programm fulminant.
Barbara Dennerlein zog alle Register, um immer wieder mit neuen Facetten im Klangspektrum zu überraschen. Hochkonzentriert, aber mit einer elfenhaften Leichtigkeit schnelltn Finger und Füße über Tasten und Pedale. Gleich zu Beginn präsentiert sie ein Fats Waller Stück – „Ain’t misbehavin“ -, der zu den ersten zählte, der Jazz auf der Pfeifenorgel spielte. Dass das Spiel auf so einer Orgel nicht gerade ein Spaziergang ist, liegt daran, dass es sich um eine mechanische Orgel handelt, die durch die Kraft des Tastendruckes ihre Ventile öffnet.
Die Wiehler Kirchenorgel ist eine 1984 erbaute Schuke-Orgel. Auf einer weiteren Anfertigung der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke spielte Barbara Dennerlein erst kürzlich noch – diese steht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin. Sie geht ein kleines Wagnis ein, erzählt sie dem Publikum, denn jede Pfeifenorgel ist anders. So ist es immer wieder spannend für sie und es wird immer kreativ, weil etwas ganz neues geschaffen wird. „Ich hoffe, dass Sie dabei Spaß haben – so wie ich“.
Mit ihrem natürlichen Charme verzauberte sie ihr Publikum nicht nur mit ihren musikalischen Darbietungen, sondern auch bei den Ansagen zu den einzelnen Stücken. Da erfährt der Zuhörer, dass der seltsame Titel „I 797“ auf ein Formular zurückgeht, das Barbara Dennerlein viel Nerven gekostet hat. Es war notwendig für die Einreise zur Tournee in Amerika zur Erlangung eines Visums. Dazu musste unter anderem ein übersetzter Konzertbericht eingereicht werden, zu dem sie eidesstattlich versichern sollte, dass nichts beschönigt worden sei. „Wenn einen Musiker etwas emotional aufrührt, muss man sich abreagieren. Deshalb das Stück mit dem vielen hin und her“, erklärte sie. Mit dem Stück drückte sie diese emotionalen Spannungen und das abschließende Happy End in grandioser Weise aus.
Barbara Dennerlein drückt nicht nur ihre Emotionen in ihren Stücken aus, sie sucht die emotionale Nähe zu ihrem Publikum mit ihrer ganzen Art. Zwischen den Stücken plauderte die Münchnerin in ihrem charmanten Dialekt über ihr Verhältnis zur Musik, über Gedanken beim Entstehen ihrer Kompositionen und über Begegnungen mit Musikern, die ihren Weg geprägt haben. Diese Einführungen freuten die Jazz-Fans, die so einen besonderen Zugang zu den gespielten Stücken und der Jazzmusik an der Orgel erhielten.
Jede Orgel spricht in klanglicher und architektonischer Aussage für sich. Aber die Vielfalt des Instruments ans Tageslicht zu befördern ist wohl eine besondere Kunst. Gerade die Kirchenorgel ist doch das Symbol für die sakrale Musik. Doch für Barbara Dennerlein gibt es keine starren Grenzen, sondern fließende Übergänge. Teilweise einzelne klassische Passagen, dann wird es jazzig und die Pfeifenorgel groovt ohne Ende. Das hängt mit Barbara Dennerleins brillanter Spieltechnik zusammen, mit der sie einen innovativen und unverwechselbaren Stil kreiert. Durch die meisterhafte Beherrschung des Pedalspiels gelingt es ihr mit von ihr speziell für die Pfeifenorgel komponierten Werken die immensen Klangmöglichkeiten voll auszuschöpfen und das doch etwas träge Instrument zum swingen zu bringen.
Zwischendurch lässt sie das Publikum und sich selbst etwas entspannen bei einem Blues, den sie unter anderem Horst Jankowski gewidmet hat – „Farewell to old friends“. Hier baut sie sogar Läufe aus Bach-Kantaten ein. Viele Wechsel in Taktart und Stimmung enthält das Stück „Change of pace“. Das hat sie auf einer CD mit einem großen Philharmonieorchester eingespielt und hat sich so einen Traum verwirklicht. Über ihre Bemerkung, dass sie dabei mit vielen Pfeifen spiele, muss sie selber lachen.
Als sie das Schlussstück ankündigt, quittiert das Publikum dies mit einem etwas traurigen „ohh!“ – das wollte sie noch mal hören, denn das sei Musik in ihren Ohren. Aber „Tin tin deo“, ein Stück aus verschiedenen Rhythmen, dass im Original von Dizzy Gillespie weniger rhythmisch ist, bleibt nicht das letzte Stück. Sie war da wohl etwas vorlaut zu behaupten, es sei das vorläufig letzte Stück, stellt Barbara Dennerlein fest. Bei stehenden Ovationen lässt sie sich nicht lange bitten und brilliert nochmals bei „Georgia on my mind“ – der Ballade zur Beruhigung am Schluss des glänzenden Abends, der wohl das Highlight der 19. Wiehler Jazztage ist.
Direkt nach ihrem Konzert nimmt sich Barbara Dennerlein noch Zeit für Autogramme und für die, die sich die Musik mit nach Hause nehmen möchten. Nach so einem Konzert kein Wunder. Doch besonders faszinierend wirkt Barbara Dennerlein nun einmal live. Man merkte ihr an, dass es ihr Freude bereitete, in dieser Atmosphäre zu spielen, was sie auch mit ihrer charmanten Art betonte: „Es bereitet mir ein Vergnügen in der tollen Stimmung zu spielen – aber ich habe es ja auch so erwartet!“.
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Fotos: Christian Melzer
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