Eigentlich sollte es einen „Boogie & Blues Battle“ geben am Mittwochabend in der Wiehltalhalle. Neun Musiker und eine Musikerin sollten diesen „Kampf“ austragen – aber es wurde ein gemeinschaftliches und mehr als beeindruckendes Miteinander. Irgendwie spielte jeder Mal mit jedem und für die Zuhörer wurde es zu einem fulminanten Abend mit viel Boogie und viel Blues.
Garantie gab Kulturkreisgeschäftsführer Hans-Joachim Klein nur für die Pausen, nicht aber für die Reihenfolge und Zusammensetzung der einzelnen Musikparts. So eröffneten Martin Pyrker und Axel Zwingenberger an zwei Flügeln den grandiosen Abend in der Wiehltalhalle anlässlich der 20. internationalen Wiehler Jazztage. Eigentlich kennen sie sich nämlich alle und Pianist Axel Zwingenberger studierte sogar mit Kulturkreisvorsitzendem Dr. Erwin Kampf gemeinsam Jura in Wien. Das Zusammenspiel in jeglicher Besetzung beeindruckte hochgradig und das Publikum war begeistert. Der Boogie Woogie ist Teil des Blues, also einer der wichtigsten Wurzeln der Jazzmusik, und kommt somit unmittelbar aus der ländlichen Folklore der USA. Boogie Woogie und Blues kristallisierte sich bei den diesjährigen Wiehler Jazztagen mit diesem Abend zu einem bedeutenden Glanzpunkt heraus.
Nachdem Martin Pyrker ein Solo-Stück am Flügel präsentierte, betonte er, dass man sich um den Bluesnachwuchs Gedanken machen müsse und deshalb zeuge man ihn am Besten selbst. Seine Tochter Sabine Pyrker erwies sich anschließend als exzellente Schlagzeugerin, die mit einem strahlenden Lächeln die ausgeklügeltsten rhythmischen Einlagen zeigte. Mit ihrem Vater spielt die 23jährige seit zehn Jahren auf Festivals und bei Konzerten. Es macht großen Spaß das inspirierte Zusammenspiel von Vater und Tochter zu verfolgen, deren große Liebe zum Blues und Boogie auch immer wieder das Publikum begeistert.
„Fred has got the blues“ spielte Sabine Pyrker auf dem Waschbrett, ansonsten begleitete sie ihren Vater zu Stücken wie „A father’s dream“, „I can’t sleep“ oder „Moskau Blues“ auf dem Schlagzeug und ließ immer wieder durchblicken, dass sie nicht ohne Grund Siegerin des österreichischen Nachwuchswettbewerbes „Prima La Musica“ ist und mit dem Schlagzeugensemble „Drums4You“ mehrfach den 1. Preis beim Bundeswettbewerb in Wien holte. Überzeugt von ihrem exzellenten Spiel war dann wohl jeder nach ihrem Drummer-Solo vor der Pause, dass sie mit einem strahlenden Lächeln einfach so – ohne jegliche Anstrengung – zelebrierte.
Der zweite Teil begann fast wie der erste – mit zwei Pianisten an den beiden Flügeln. Diesmal Vince Weber und Axel Zwingenberger. Doch dann war es mit dem instrumentalen Part erstmal vorbei, denn der staatlich anerkannter Boogiefreak Vince Weber sang „I’m ready“ von Errol Dixon. 1976 bekam Weber den deutschen Schallplattenpreis für sein erstes Album „The Boogie Man“ – seitdem ist kein Piano und kein Mikro vor ihm sicher. In Wiehl holte er sich nach seinem Solostück Bernhard Egger, den Wiener Schlagzeuger der “B.B. & the Blues Shacks“ dazu. Gemeinsam wurde nicht nur das „Dirty Dozens“ von Rufus Perryman ein Genuss. Abgelöst wurden die beiden von Axel und Torsten Zwingenberger. Die beiden sind nicht nur Brüder sondern auch ein perfekt eingespieltes Team. Ihrer alten Schule, die sie mit Latein und Altgriechisch mehr oder weniger auf den Boogie-Woogie vorbereitet hatte, widmeten sie „Johnny’s jumpin‘ latin joint“.
Dampfzüge haben einen besondern Rhythmus und viele berühmte Boogie-Stücke widmen sich besonderen Dampfzügen. Axel Zwingenberger liebt nicht nur diese musikalischen Hommagen sondern fotografiert Dampfloks und –züge mit Vorliebe. Seinen Bruder Torsten hat er damit schon ein wenig angesteckt und so präsentierten sie den „Honky tonk train blues“ – mit einem kleinen Hinweis auf die Wiehltalbahn, deren Schrankenwärter Torsten Zwingenberger werden sollte nachdem er die Dampflokomotiv-Pfeife imitierte.
Beim „African Groovin’“ war wohl jeder absolut fasziniert, wie ein Schlagzeuger verschiedene Rhythmen auf verschiedenen Gegenständen und Instrumenten erzeugen kann. Torsten Zwingenberger betätigte ein Instrument in Form einer Kugel im Netz mit dem linken Fuß von unten, trommelte mit der linken Hand auf einem Barhocker, mit der rechten bearbeitete er mit dem Trommelstock das Becken und mit dem rechten Fuß eine Bassdrum. Fußarbeit zeigte aber auch sein Bruder Axel – mit gelbem Schuhwerk und ständig wippenden Beinen und Füßen waren nicht nur seine Finger immer in Bewegung. Mit wahnsinniger Geschwindigkeit bearbeitete er die Tasten des Flügels und erzeugte grandiose Musik.
Mit tollem Sound und großartiger Spielfreude holten „B.B. & the Blues Shacks“. das Publikum aus der zweiten Pause zurück in die Halle. Nicht nur die Wiehler Jazztage können den 20. Geburtstag feiern sondern auch diese Band, die 1989 gegründet wurde. Sänger und Bluesharp-Spieler Michael Arlt lud die Gäste zur großen gemeinsamen Geburtstagsfeier ein. Dass diese fünf Musiker in der der internationalen Liga spielen war schon nach wenigen Takten klar. Sie setzten noch das I-Tüpfelchen des Hochgenusses auf den Abend. Stücke aus dem Mississippi-Delta, wie „By by bird“, bei dem Michael Arlts Bluesharp zum ersten Mal zum Einsatz kam, oder der Sixty-Soul bei „To much misery“ ließen mehr und mehr Partystimmung aufkommen. Teilweise mehr Rock’n Roll als Blues und dann doch wieder Boogie-Woogie – einfach mitreißend.
Stimmgewaltig und kraftvoll mit Wahnsinns-Timbre der Gesang von Michael Arlt. Der Zuhörer fühlt sich in die 40er und 50er Jahre zurückversetzt oder bekommt einfach nur eine Ahnung vom Feeling dieses unverkennbaren Sounds. Die Bluesharp spielt er fast ohne Luft zu holen und gibt dem Ganzen mit ihr eine zusätzliche Klangfarbe. Sein Bruder Andreas Arlt spielt seinen ganz eigenen Stil und es wird schnell deutlich, weshalb er beim Trophee France Blues 2004 als “Best European Guitar Player“ ausgezeichnet wurde. Nicht nur gewaltige Klänge fabriziert er auf seiner E-Gitarre – er spielt sie sogar fast im Flüsterton. Dabei wurde es mucksmäuschenstill in der Wiehltalhalle.
Ruhepol der Band ist Bassist Henning Hauerken, der mit seinem Instrument den Sound maßgeblich prägt. Den speziellen Groove-Stempel verleiht Schlagzeuger Bernhard Egger dem Ganzen und mit rosafarbenem Schuhwerk wippt Pianist Dennis Koeckstadt den Takt bei seinem fabelhaften Pianospiel mit. Spontan setzt sich plötzlich Vince Weber neben ihn und am Schlagzeug spielen Torsten Zwingenberger und Bernhard Egger im Doppelpack. Rasch versammelten sich alle zehn Tonkünstler wieder auf der Bühne und der “Battle“ fand seinen Höhepunkt. Da hielt es Boogie-Woogie-Altmeister und Legende Leopold von Knobelsdorff auch nicht mehr auf dem Sitzplatz. Leopold von Knobelsdorff zählt zu den Musikern, die im Spannungsfeld des Nachkriegsjazz und des frühen Rock’n’Roll ersten Zugang zum schwarzen Blues fanden und begannen ihn in Jazzclubs und Kneipen Blues in das Programm zu heben.
Swingen, shuffeln, hochgradige Spielfreude, Präzision und Interpretationskraft – mit solchen Musikern kann nur ein Boogie-Woogie-&-Blues-Abend der Extraklasse zelebriert werden, der gute Laune erzeugt.
Vera Marzinski
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Fotos: Christian Melzer
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