Eine tragische Komödie in zwei Akten – kurzweilig inszeniert von Alexander von Janitzky – erlebten die Gäste der Premiere von Dürrenmatts „Die Physiker“ im Schau-Spiel-Studio Oberberg.
Mit einer genialen Besetzung – jeder einzelne Schauspieler ging in seiner Rolle perfekt auf. Herausragend Angela Harrock als Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd, die die irre Irrenärztin mit perfekter Überheblichkeit und brillantem Zynismus spielte. Die drei verrückten Physiker – Newton (Thomas Knura), Einstein (Eckhard Pfiffer) und Möbius (Martin Heuer) -, die eigentlich gar nicht irre waren, spielten ihre Rollen mit viel Hingabe und jeder auf seine spezielle Weise.
Komisch sind im Stück nicht die Dialoge, sondern die groteske Situation. Dürrenmatt hat das Theaterstück bewusst in zwei Akte aufgeteilt – wobei der zweite Akt eine Umkehrung des ersten Aktes darstellt und Situationen auflöst. Die Thematik um omnipotentes Wissen und Machtmissbrauch beängstigt und wird von Friedrich Dürrenmatt in eindrücklicher Weise dargestellt. Die Komödie weist auf die Verantwortung der Wissenschaftler für die unvorhersehbaren Folgen ihrer Erfindungen hin bzw. inwiefern die Wissenschaftler mit den zerstörerischen Möglichkeiten ihrer Erfindungen die Welt letztlich auf ihren Untergang zutreiben können. Der Physiker Möbius ist sich dieser Tragik bewusst und versucht, sich moralisch korrekt zu verhalten, indem er den Irren spielt und sich mit seiner Weltformel in die Anstalt zurückzieht.
Im ersten Akt erscheint Kriminalinspektor Voss – hervorragend gespielt von Ferdinand Feldmann – zum Verhör nach dem Mord an der Irrenhaus-Krankenschwester Irene. Oberschwester Monika (Katrin Platzner) weist den Inspektor beständig zurecht, das es sich bei Einstein nicht um einen Mörder, sondern um einen Verrückten handle. Hier kommt der Inspektor nicht weiter – aber auch nicht im Gespräch mit Newton (Thomas Knura), der die Befragung umdreht und sich als der „wahre Einstein“ outet. Als der Inspektor die Anstaltschefin Fräulein Dr. Mathilde von Zahnd, auf Newtons Outing hinweist, entgegnet sie ihm barsch: „für wen sich meine Patienten halten, bestimme ich“. Dabei wird die Machtstellung der Anstaltsärztin und ihre Manipulationsfähigkeit deutlich – sie wird zur Inkarnation des Bösen.
Beim Abschiedsbesuch seiner Ex-Frau Lina (überzeugend dargestellt von Bärbel Stinner), die nun mit dem Missionar Rose verheiratet ist, gibt Möbius vor, die drei gemeinsamen Söhne nicht zu kennen, um es ihr dadurch zu erleichtern, ihn zu vergessen. Wie sehr Möbius sich zur Rettung der Menschheit aufopfert, wird auch darin deutlich, dass er das Heiratsgesuch der Schwester Monika ablehnt, die sein Spiel durchschaut hat. Obwohl er sie ebenfalls liebt, bringt er sie um, um nicht in die „Freiheit“ zu kommen, um somit die Menschheit zu retten.
Der zweite Akt beginnt im Grunde wie der erste: Die Situation der erdrosselten Krankenschwester ist dieselbe, das Motiv des Genusses (rauchen, trinken und opulent speisen) wird wieder aufgegriffen und dieselben Handlungen treten auf. Aber die Situation wird umgekehrt und die wahren Umstände werden deutlich, die diese Menschen zusammenführte. Die Paradoxie der verrückten Ärztin und der genialen Patienten wird ironisch herausgestellt und unterstreicht die Groteske der eintretenden Katastrophe. Einstein gibt sich als Eisler zu erkennen und Newton als Kilton, die beide Möbius für ihre jeweilige Regierung gewinnen wollen. Eisler mahnt Möbius an seine Pflicht als Wissenschaftler seine Entdeckungen der Menschheit zu übergeben, Kilton lockt mit dem Nobelpreis. Als Möbius bekannt gibt, dass er seine Aufzeichnungen bereits verbrannt hat, erkennen die Agenten, dass ihr Kampf um Möbius und sein Wissen keinen Sinn ergibt und kommen zum Fazit „Nur im Irrenhaus dürfen wir noch denken – in der Freiheit sind unsere Gedanken Sprengstoff.“ Doch die von Möbius gedachte Lösung, sich zu isolieren, ist zwecklos, da er durch Fräulein von Zahnd überlistet wird. Sie gibt zu, dass sie die Krankenschwestern mit Absicht auf die Herren gehetzt hat, so dass sie sterben mussten. Dadurch sind die Physiker in der Anstalt festgehalten, da sie außerhalb als „Mörder“ gelten würden, als Irre sind sie dagegen nur „Täter“. Fräulein von Zahnd hat sämtliche Aufzeichnungen von Möbius bereits vor der Vernichtung kopiert und so für sich erhalten können.
Am Ende sitzen die drei Wissenschaftler, die verrückt gespielt, aber sich voreinander als normal zu erkennen gegeben haben, in der Anstalt fest. Sie können nun nicht mehr selbst entscheiden, wie sie vorgehen wollen, sie haben keinen Einfluss mehr auf die Wirkung der von ihnen in die Welt gesetzten Erfindungen. Was einmal erfunden ist, ist erfunden; was getan ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen.
Bei der fabelhaften Inszenierung von Regisseur Alexander von Janitzky, der aus Kronberg im Taunus stammt und die Filmhochschule in Paris absolvierte, standen ihm Nadine Jung als Regieassistenz und Dennis Hermann bei der Technik zur Seite.
Weitere Aufführungstermine:
Sa. 16.01. Die Physiker 20 Uhr *
So. 17.01. Die Physiker 18 Uhr *
Sa. 23.01. Die Physiker 20 Uhr
So. 24.01. Die Physiker 18 Uhr
Mi. 27.01. Die Physiker 20 Uhr
Fr. 29.01. Die Physiker 20 Uhr
Sa. 30.01. Die Physiker 20 Uhr
So. 31.01. Die Physiker 18 Uhr
Mi. 03.02. Die Physiker 20 Uhr
Fr. 05.02. Die Physiker 20 Uhr
Sa. 06.02. Die Physiker 20 Uhr
So. 07.02. Die Physiker 18 Uhr
*Veranstalter: Kulturkreis Wiehl
Veranstaltungsort:
Aula der Grundschule Wiehl, Warthstraße 1
Karten:
Kartenvorverkauf (auch Gutscheine), 9 Euro, ermäßigt 5,50 Euro bei Wiehl-Ticket, Bahnhofstraße 1, 51674 Wiehl Telefon 02262/99285 / Telefax 02262/99185
Restkarten an der Abendkasse, 10 Euro, ermäßigt 6 Euro.
Weitere Informationen im Internet: www.theater-wiehl.de
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Fotos: Christian Melzer
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