Molières Komödie „Tartuffe“ als grandioser Schlusspunkt

Das Schau-Spiel-Studio Oberberg präsentiert mit der Inszenierung von Moliéres Komödie „Tartuffe“ eine hervorragendes Schauspiel zum Theatersaisonende, in der ein religiöser Heuchler einen dekadenten Patriarchen um den Finger wickelt.

Foto: Christian Melzer

Denn: Was für ein Segen, dass er da ist: „Tartuffe! – der Gute!“ Das findet jedenfalls Monsieur Orgon (Thomas Knura). Er hat den wildfremden, scheinbaren „Gutmenschen“ von der Straße weg in sein Haus geholt. Dieser entspricht dem Ideal zu dem der wohlhabende Geschäftsmann strebt. Der Gutgläubige Orgon sucht in blinder Gefolgschaft mit und durch Tartuffe (Leif Schulmeistrat) sein Heil – dabei stürzt er seine Familie und schließlich sich selbst ins Unheil. Durch die schamlose Zurschaustellung erheuchelter Frömmigkeit hat sich der völlig mittellose Tartuffe eingeschlichen. Weder Orgon selbst, noch seine nicht weniger verblendete Mutter, Frau Pernelle (Silke Faber), lassen sich von ihrer rückhaltlosen Verehrung Tartuffes abbringen.

Das Stück „Tartuffe“ beginnt mit den Moralpredigten der Frau Pernelles, die so die Familie Orgons charakterisiert und vorstellt. Der Hausherr Orgon überhört bei seinem Eintreffen alle Bedenken, die die Familienmitglieder gegen den Tartuffe äußern. Orgon lässt sich auch durch seinen Schwager Cléante (Hans-Gerd Pruß) von seinem Tartuffe-Fanatismus nicht abbringen. Alles was dieser sagt und tut ist perfekt. Deshalb auch ständig sein „Tartuffe – der Gute!“. Alles Materielle ist ab sofort tabu, weil es hinderlich ist auf dem Weg zur frommen Erleuchtung. Tartuffe soll es in Verwahrung nehmen und zudem möchte Orgon Tochter Mariane (Katrin Platzner) nun doch nicht mit dem jungen Valère (Robin Weiss) sondern mit Tartuffe zwangsweise verheiraten. Sein Wunsch ist, Tartuffe für immer an sich zu binden, wozu ihm nichts geeigneter erscheint als die Vermählung seiner Tochter mit einem so heiligen Mann.

Als Orgons Sohn Damis (Marcel Wirths) Tartuffe bei seinem Vater ob der sehr erotischen Annäherung bei der Stiefmutter anschwärzt, vertraut Orgon mehr dem Heuchler und treibt den eignen Sohn aus dem Haus. Nachdem Elmire (Angela Harrock) ihrem Gatten vorführt, dass Tartuffe sie tatsächlich begehrt und nicht der fromme Mann ist, schmeißt nicht Orgon Tartuffe, sondern der Betrüger den Hausherren raus. Schließlich hat letzterer dem „guten Mann“ längst sein Hab und Gut überschrieben. Die unerwartete Wendung kommt am Schluss durch die Botschaft des Abgesandten des Königs (Michael Labs).

Genial die Szene in der Schau-Spiel-Studio Oberberg-Inszenierung in der Orgon seiner demütig-braven Tochter Marian diktatorisch seine Vermählungsentscheidung vermittelt. Besonders der Disput zwischen dem Hausherrn und der Zofe Dorin ist eine der Paradeszenen der Aufführung. Bärbel Stinner spielt die Dienerin frech, laut und sehr überzeugend. Brillant auch Angela Harrock als Frau des Orgon. Sie geht ganz in dieser Rolle auf – ob brüskiert wegen des Unglaubens ihres Gatten oder lasziv bei der vermeintlichen Verführung des Heuchlers Tartuffe. Aber auch Thomas Knura ist in der Rolle des Hausherren sehr authentisch. Mit frömmelnder Stimme und Mimik, in perfekt perfider Weise umschmeichelt Leif Schulmeistrat ihn als Tartuffe, der auch die Überheblichkeit und Begierde des Heuchlers glänzend spielt.

Michael Labs hat als Regisseur eine gelungene Inszenierung auf die Bühne des Schau-Spiel-Studio Oberberg gebracht. Auch das Bühnenbild ist beeindruckend, mit barock anmutender Zimmereinrichtung sowie einer Drehbühne mit zwei unterschiedlichen Treppen und dem Schlafgemach der Hausherrin. Für die Technik zuständig: Patrick Hund und Alexander Lentzen. In weiteren Bühnenrollen Ferdinand Feldmann (Gerichtsvollzieher Herr Loyal) sowie Ronja Heukelbach und Karina Blasberg (Dienerin Flipote).

Zur Zeit der ersten Premiere musste Molière fünf Jahre um das Aufführungsrecht kämpfen, da ihm der Vorwurf gemacht wurde, das Stück greife nicht nur die Scheinheiligen, sondern die Religion als solche an. Mittlerweile jedoch ist „Tartuffe“ längst zum Klassiker avanciert – das amüsante Lustspiel, das sich doch höchst ernsthaft mit der Frage nach der Wahrhaftigkeit menschlicher Beziehungen und der Macht der Religion auseinandersetzt, gehört zu den beliebtesten französischen Komödien. Nach der Premiere im Schau-Spiel-Studio am Freitagabend wird das Stück an folgenden Tagen aufgeführt:

21.04.2012, 20 Uhr
22.04.2012, 18 Uhr
27.04.2012, 20 Uhr
28.04.2012, 20 Uhr
29.04.2012, 18 Uhr
02.05.2012, 20 Uhr
04.05.2012, 20 Uhr
05.05.2012, 20 Uhr
06.05.2012, 18 Uhr
09.05.2012, 20 Uhr
11.05.2012, 20 Uhr
12.05.2012, 20 Uhr
16.05.2012, 20 Uhr
Vera Marzinski

Die Bilderserie wird präsentiert mit freundlicher Unterstützung durch:

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Fotos: Christian Melzer

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