„Was für eine Rockröhre“, kann man zu Jessy Martens nur sagen. Das geht voll unter die Haut, wenn sie loslegt, die kleine Frau mit der Hammerstimme. Mit hauptsächlich eigenen Stücken heizte sie am Montagabend das Publikum der Wiehler Jazztage Bluesnight ein. Auch wenn die Besucherzahler nicht so hoch war wie in früheren Jahren – die Gäste, die da waren, kamen voll auf ihre Kosten. Ein Energiebündel mit emotionalem Tiefgang. Die Hamburgerin ist mehr als ausdruckstark. Und das nicht nur bei druckvollem Blues in rockig-souligem Sound. Jessy Martens hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und selbst beim Gang durchs Publikum ist sie mit ihrer kräftigen Stimme auch ohne Mikro in der ganzen Halle unüberhörbar.
„Wir sind hier ja bei einem Jazzfestival“, betonte Jessy und da sollte auch bei ihrem Auftritt kein Jazz fehlen. Mit dem wundervollen Jazzstandard „Summertime“ zeigte sie eine ganz andere Seite ihres Könnens. Brillant interpretiert und vom Publikum fasziniert aufgenommen bot sie ein souliges „Summertime“. Aber Jessy wäre nicht Jessy, wenn sie danach nicht genau dieses Stück noch mal ganz anders interpretieren würde. Zum Spiel des Keyboarders stiegen dann auch Bass, Gitarre und Schlagzeug wieder ein. Und auch die rockige Variante faszinierte.
Nicht nur mit diesem Stück ging ihre Musik unter die Haut. Auch die Ballade „Undone“ begeisterte. Ebenso das „Begin You For Mercy“ von Duffy – hier sogar mit Publikums-Chor. Nicht nur die Sängerin ist besonders. Gitarrist Roman Werner ließ seine Gitarre aufheulen und bearbeitete sie sogar mit den Zähnen. Bassist Christian Hon Adameit spielte nicht nur einen guten Bass sondern sang mehrfach im Duett mit Jessy. Christian Kolf bearbeitete heftigst sein Drumset und auch Keyboarder Johnny Rhodes zeigte sein Können auf seinem Instrument. „Wir haben nur begrenzte Zeit bekommen – aber ihr wisst ja wie das geht!“ rief Jessy ihrem begeisterten Publikum zu. Und das ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie bekamen mit „Fool 4U“ eine wunderschöne Ballade zum Abschluss des ersten Teils der Blues-Night.
Zur Blues-Night gehört einfach so eine Institution in Sachen Blues- und Rootsmusik wie Hans Theessink. Der ließ es erstmal etwas ruhiger angehen. Entspannte Bluesstücke präsentierte der erstklassige Gitarrist, Sänger und versierte Songwriter, der in Wien lebt und aus dem niederländischen Enschede stammt. Seine sonore Stimme brachte die Rock- und Bluesstücke so richtig zur Geltung. Kein Wunder, dass er weltweit gefragt ist. Dass er vom Bluesbazillus vollkommen infiziert ist, spürten die Gäste sofort.
Roland Guggenbichler am Keyboard und die drei afrikanischen Sänger von „Insingizi“ unterstützten Hans Theessink an diesem Abend. So entstand eine kongeniale Verbindung zwischen Blues- und Rootsmusik. Alle drei Mitglieder des A-Capella-Trios „Insingizi“ stammen aus Zimbabwe und begeistern mit ihren unnachahmbaren Stimmen und choreographischen Einlagen. Dumisani “Ramadu” Moyo und Zibusiso “Blessing” Nkomo gaben zwischendurch immer mal wieder Klatsch-Unterricht, Future Sibanda verblüffte mit seinen Tanzeinlagen, bei denen die Beine mehr als elastisch zu sein schienen.
Hans Theessink erzählte von Konzerttouren, seiner letzten Geburtstagsfeier und der Aufnahme der letzten CD, bei der viele bekannte Musiker mitgewirkt hatten. Geschichten hat Hans Theessink viele zu erzählen. Obwohl er den Blues im Blut hat, hat er sich nie nur dieser Stilrichtung verschrieben. Er fungiert als musikalischer Brückenbauer bei dem es das gesamte musikalische Spektrum eines einzigartigen und authentischen Roots-Saitenzauberers zu hören gibt.
„Slow train“ ist nicht nur der Titel einer CD sondern auch ein autobiographisches Stück des Bluesgitarristen. „Aber nicht ohne Hoffnung“ erklärte er dazu verschmitzt und forderte die Gäste in der Wiehltalhalle auf, sich zu einem richtig guten Wiehler Chor zu formieren und den Refrain mehrstimmig mitzusingen. Und das funktionierte tatsächlich. Seine Stimme weckte anschließend den Löwen, bei „The lion sleeps tonight“. Zum Abschluss gab es noch einen Gospelsong, der in New Orleans durch das Radio sehr bekannt gemacht wurde: „People get ready“. Und auch mit diesem Stück der fünf Musiker konnte man wieder feststellen: sie schlagen Brücken und verbinden Kulturen – von World-Blues über amerikanische Rootsmusic bis zu afrikanischen Rhythmen. Nicht immer so mitreißend wie Jessy Martens Stücke, aber der Blues hat auch ruhige Seiten.
Vera Marzinski
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Fotos: Christian Melzer
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