Wie engagiert die Schauspieler des Schau-Spiel-Studios Oberberg sind, bewies die Premiere von Schillers dramatischem Gedicht in fünf Akten „Don Karlos“. Eigentlich hätte die Premiere abgesagt werden müssen, teilte Regisseurs Raimund Binder dem Publikum mit, da der Hauptdarsteller Roland Gude aus gesundheitlichen Gründen eigentlich nicht hätte auftreten können.
Doch dessen Enthusiasmus ging soweit, dass er doch spielte – als der Schlussapplaus erklang sah man ihm freilich dann doch seine Erschöpfung an. Aber er hatte den Don Karlos mit viel Leidenschaft und Feuereifer gespielt – die Zuschauer in der Aula der Grundschule überzeugte er mit seiner Rolle des feurigen und empfindsamen jungen Infanten Don Karlos.
Raimund Binder hatte sich ein vortreffliches Ensemble für den Klassiker zu Schillers 250. Geburtstag ausgesucht. Besonders Gisbert Möller, der König Phillip II. spielte, war überragend. Die Rolle des Phillip II. bringt einige Charakterzüge mit sich, die ihn sehr düster, finster und gnadenlos wirken lassen. Besser als Gisbert Möller hätte man dies nicht rüberbringen können. Bei Viviane Bonfanti, die die Königin Elisabeth von Valois mimte, spürte der Zuschauer das innerliche Beben, dass die Königin zwischen Pflicht, Ehre und Sehnsucht hin und her riss. Manchmal etwas theatralisch, aber dennoch überzeugend Tasmin Neumann als Prinzessin von Eboli. Don Karlos bester und einzigen Freund, den Marquis von Posa, spielte Thomas Knura, der sich von Szene zu Szene steigerte. Herausragend seine flammende Rede beim Vier-Augen-Gespräch mit dem König. Der Marquis ist von Schiller in verschiedenen Szenen so dargestellt, dass nicht immer eindeutig ist, ob sein Verhalten richtig ist. Beispielsweise seine Verstellungskünste gegenüber Philipp und sogar gegenüber dem Freund Karlos, die jedoch als Mittel zum Zweck, seine Ziele zu erreichen dienen. Der Marquis von Posa verkörpert sicher am meisten Schillers politisch-gesellschaftliche Ideale. Aber auch Don Karlos Charakterzüge, der Verstand und Gefühl paart, gehören sicher bei Schiller als ästhetisches Ideal zusammen.
„Geben Sie Gedankenfreiheit“ fordert der Marquis von Posa von Spaniens König Philip II. – ein bekannter Satz, der in die Geschichte passt. Bereits zwei Jahre vor Ausbruch der Französischen Revolution trat Friedrich Schiller nicht nur vehement für die Menschenrechte, sondern auch für die persönlichen Rechte eines jeden Individuums ein. Dieser Stoff ist auch heute brisant und aktuell. „Don Karlos“ ist ein Werk, das als ein Manifest eines neuen Zeitalters der Brüderlichkeit und Gedankenfreiheit gelten darf.
Ein Stück mit vielen Motiven – Freundschaft, Vater-Sohn-Konflikt, tragische Liebe. Die Handlung spielt durchgehend am spanischen Hof und auch die Personen sind von gehobenem Stand. Weitere wichtige Personen im Drama „Don Karlos“ sind der Großinquisitor des spanischen Königreichs – gespielt von Ferdinand Feldmann – sowie Domingo, ein geistlicher Beichtvater – von Jürgen Lesse zugleich demütig und verwegen dargestellt – und der Herzog von Alba (Lutz Uhle) sowie der Graf von Lerma (Hans-Gerd Pruß), der oberste der königlichen Leibwache. Das Drama ist eine Tragödie die nach dem Muster des aristotelischen Dramas in fünf Akten angeordnet ist. Es bezieht sich inhaltlich auf die Jahre 1556-1598, in denen König Philipp II. das spanische Königreich führte.
Don Karlos steht im Konflikt zwischen persönlichen Interessen – seinen Gefühlen für Königin Elisabeth – und dem Allgemeinwohl – seine erhoffte Statthalterschaft in Flandern. Jedoch muss er sich nicht für eine Seite entscheiden, da sich beide Konflikte auflösen. Seine Liebe zu Elisabeth kann nicht verwirklicht werden und auch die Statthalterschaft in Flandern wird ihm von seinem Vater versagt. Don Karlos liebt die Frau seines Vaters: eine Liebe, die moralisch nicht zu vertreten ist. Prinzessin Eboli liebt Don Karlos und wird vom König umworben, den sie zunächst abweist. Aber von dem sie sich jedoch verführen lässt um sich an Karlos zu rächen. Die Liebeskonflikte münden letztendlich in Katastrophen. Ein weiterer nicht unwichtigerer Konflikt ist der Vater-Sohn-Konflikt im Drama „Don Karlos“. Das Verhältnis zwischen König Philipp II. und seinem Sohn Don Karlos ist ein sehr schwieriges Verhältnis, nicht nur weil beide die gleiche Frau lieben, nämlich die Königin Elisabeth. Andererseits besteht auch keine Vertrauensbasis, dafür steht auch fast symbolisch, dass Karlos beim König erst um eine Audienz bitten muss – den Marquis von Posa lässt der König ohne Anmeldung in seine Gemächer. Der Vater verweigert dem Sohn die Herrschaft in Flandern und letztlich mündet der Konflikt in eine Katastrophe: Philipp übergibt seinen eigenen Sohn dem Großinquisitor.
Bevor Don Karlos am Ende des Stückes fliehen könnte, wendet sich sein Vater an den Inquisitor Kardinal unter dessen Fuchtel Karlos aufgezogen wurde. In karmesin-rot und schwarz erscheint der Inquisitor und hält eine beeindruckende Rede. Hier spiegelt sich das karmesin-rot des Kreuzes wieder, dass über der Bühne schwebt. Die Kirche, zu der damaligen Zeit sehr mächtig, gewinnt über allem doch die Oberhand, denn der Inquisitor nimmt sich am Schluss „Don Karlos“. Tolle Inszenierung, hervorragende Schauspieler und lebendig gespielt vom Schau-Spiel-Studio Oberberg.
Vera Marzinski
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Fotos: Christian Melzer
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