Mit „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal ist Raimund Binder mit dem Ensemble des Schau-Spiel-Studio Oberberg wieder eine brillante Inszenierung gelungen.
Binder spielte den „Jedermann“ 1970 bei seiner Diplomarbeit selbst. Kein Wunder, dass ihm dieses Stück besonders am Herzen liegt. Für den Wiehler „Jedermann“ hat er eine hervorragende Besetzung gewählt.. Binders Inszenierung, die als bissige Moritat auf Moral, Freundschaft und menschlichen Umgang mit dem Nächsten zu sehen ist, entspringt einem eigenen Verständnis der Schuld-Sühne Thematik. Die Werke des Menschen, also sein Handeln, stehen im Vordergrund. „Nur in dem der Mensch Ursache und Wirkung seines Handelns erkennt, verinnerlicht und danach lebt, eröffnet sich ihm die Möglichkeit, sein Problem zu lösen“, heißt es im Programmheft dazu. Das Schau-Spiel-Studio Oberberg zeigt das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ mit einem Ensemble, das wieder einmal seine Wandelbarkeit aufs Beste demonstriert. So trat Gisbert Möller als Gott, Knecht, Koch, armer Nachbar und als Teufel auf. Perfekte Besetzung für den Jedermann: Michael Albrecht.
Jedermann ist genusssüchtig und egoistisch. Sein Motto: Ich nehme, was ich will und zwar sofort, denn es gibt nichts, was man mit Geld nicht kaufen kann. Er hat genügend Geld, um angenehm zu leben. Er feiert gerne und ist fleischlichen Genüssen nicht abgeneigt. Er öffnet nicht für jeden Bittsteller den Geldbeutel – den lässt er in den Turm sperren. Allerdings lässt er dessen Frau und Kind doch ein Almosen zukommen. Diesen überheblichen und selbstgefälligen Egozentriker spielt Michael Albrecht herausragend. Aber auch, den Jedermann, der sich mit dem unerwarteten Tod konfrontiert sieht. Jedermanns Gesicht ist mal blitzend vor Größenwahn, dann wieder schreckensstarr. Seine Mutter – wunderbar dargestellt von Angela Harrock, die auch den Tod spielt – hätte ihn gerne verheiratet gesehen. Jedermann ist eher entnervt von den guten Ratschlägen seiner Mutter und feiert lieber ausgiebig. Dafür hat er seine Vetter – Hans-Gerd Pruß, der nicht nur in dieser Rolle überzeugt, sondern auch als Geselle und Mammon auftritt, und den noch jungen Darsteller Valentin Irmscher, der neben seiner Rolle als dünner Vetter auch den Vogt und Büttel gibt. Von einer Rolle in die andere switcht Gisbert Möller. Ob leidender Knecht oder die Paraderolle des Teufels – ihm liegt einfach alles. Optisch sehr sexy die Buhlschaft – Svenja Szeghedi stellt die junge Geliebte des Jedermann im funkelnd-grünen und hochgeschlitzten Abendkleid dar. Und um die Gästeschar bei der großen Festlichkeit im Hause Jedermann zu vervielfältigen, hat Binder den Darstellern noch Stockpuppen dazu gegeben, mit denen sie über die Bühne tanzen. Doch wenn dem Jedermann nur noch eine Stunde bleibt, Geleit für seinen letzten Gang zu finden, und sein Gesell, die beiden Vettern, die Buhlschaft und der Mammon nacheinander das Weite suchen, heißt es „So lang einer im Glück ist, der hat Freunde die Menge, doch wenn ihm das Glück den Rücken kehrt, dann verläuft sich das Gedränge.“ Was bleibt, sind die guten Werke – außerordentlich gespielt von Conny Kannengießer. Zwar sind die „Werke“ zunächst sehr gebrechlich, aber sie bleiben an seiner Seite und fungieren als Prellbock gegen den Teufel.
90 Minuten ohne Pause fasziniert das Stück. Licht- und Musikeffekte unterstreichen die Szenen und das Bühnenbild ist sparsam mit einer kleinen Bühne auf der Bühne und einer wandelbaren Wand – die wird zur beladenen Tafel fürs Fest, Hausfront oder Kiste für den Mammon. Kostüme und Requisiten – insbesondere die Masken – sind gut gewählt. „Jedermann“ sollte man sich nicht entgehen lassen – weitere Aufführungstermine: Samstag, 4. März; Freitag, 10. März; Samstag, 11. März; Samstag, 18. März; Freitag, 24. März; Samstag, 25. März; Mittwoch, 29. März; Freitag, 31. März, und Samstag, 1. April, jeweils um 20 Uhr. An den Sonntagen 5. März, 19. März und 26. März hebt sich der Vorhang jeweils um 18 Uhr.
Vera Marzinski
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Fotos: Christian Melzer
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