Ein Jazztage-Montagabend der ganz anderen Art mit zwei Ensembles die unterschiedlicher nicht sein konnten. Zunächst die genialen Newcomer des „Young German Jazz“ Roman und Julian Wasserfuhr mit ihrem Quartett und anschließend das weltweit brillanteste A-Capella-Sextett „Take 6“ mit außergewöhnlich homogenem Gruppenklang und exzellenter Intonation.
Wer Jazz vom Feinsten hören wollte, fand dies am Montagabend bei Roman und Julian Wasserfuhr. Mit einem Stück aus ihrer ersten CD, die sie dem legendären West Coast Trompeter Chet Baker gewidmet hatten – „You are a friend of mine“ – und vielen Titeln aus ihrer neuen CD, die sie gerade in Schweden eingespielt haben und die im August käuflich zu erwerben sein wird. Die Weiterentwicklung in den letzten Jahren ist beeindruckend, wobei schon die erste CD ausgezeichnet war.
Exklusiv in Wiehl, sozusagen in der Heimat, denn die beiden Wasserfuhr Brüder stammen aus Hückeswagen, präsentierten sie die neuen Stücke. So den „Song for E“, den sie dem schwedischen Jazzpianisten Esbjörn Svensson widmeten, der 2008 tödlich verunglückte. „Travelers Defense“ stammt vom Komponisten und Jazzbassisten Lars Danielson – „Fade a little“ ist eine Eigenkomposition. Die Süddeutsche Zeitung schrieb über den jungen Trompeter Julian Wasserfuhr und seinen Bruder Roman am Piano, dass das was sie vorlegen, einem doch fast die Schuhe auszieht – Recht haben sie damit. Schon alleine die Art und Weise wie sie spielen ist imponierend. Versank Tizian Jost am Vorabend vollkommen in sein Pianospiel so ist Roman Wasserfuhr eins mit seinem Spiel und seinem Flügel. Teilweise streichelt er fast die Tasten und erzeugt den geringstmöglichen Ton mit exquisiter Klarheit. Fast spricht er die Töne, die er gerade spielt und lebt sie förmlich. Dabei ist der Klang, den er erzeugt, immer unangestrengt und entspannt.
Julian Wasserfuhr zaubert mit seiner Trompete einen timbrereichen Ton. Schon mit sieben Jahren hielt der Blechbläser seine erste Trompete in der Hand. Er möchte mit seinem Spiel atmosphärische Klangräume erschaffen und das gelingt ihm mit einer beeindruckenden Leichtigkeit. Das was er spielt wirkt zugleich melancholisch und magisch leicht. Er verschmilzt förmlich mit seiner Trompete und scheint sich fast an ihr festzusaugen.
Die beiden sind ein eingespieltes Team mit aussichtsreichen Ambitionen. Deshalb müssen die Musiker, die mit ihnen gemeinsam auftreten ebenfalls sehr professionell sein. Mit Dietmar Fuhr am Kontrabass und Schlagzeuger Oliver Rehmann haben sie eine hervorragende Komplettierung ihres Quartetts gefunden. Der aus Ibbenbüren stammende Oliver Rehmann begann seine musikalische Kariere am Schlagzeug seines Onkels. Er absolvierte ein Musikstudium am „Conservatorium van Amsterdam“ und spielt in verschiedenen Formationen in Deutschland und den Niederlanden. Dietmar Fuhr studierte Kontrabass an der Musikhochschule Köln. Es folgte ein längerer Aufenthalt in New York, bei dem er durch zahlreiche Auftritte mit ausgezeichneten Musikern seine musikalischen Fertigkeiten verfeinern konnte.
Für Liebhaber des Vocal-Gesangs, die hauptsächlich wegen „Take 6“ gekommen waren, klang das, was das „Wasserfuhr-Quartett“ fabrizierte sicher wie experimenteller Jazz, aber beeindruckt waren auch diese Zuhörer. Für Liebhaber der Jazzrichtung, die das „Wasserfuhr-Quartett“ präsentierte, war es ein besonderer Genuss und ein besonderes Bonbon, diese jungen Musiker sehen und hören zu dürfen. Denn das ist erst der Anfang auf ihrem Weg. Vor zehn Jahren spielte Till Brönner in der Wiehltalhalle und war damals gerade auf den ersten Stufen seiner phänomenalen Karriere. Auch von den Wasserfuhr-Brüdern wird man sicherlich noch viel hören.
Viel zu hören und zu sehen gab es auch im zweiten Teil des Montagabends und das war ein Hochgenuss. Sechs stimmlich perfekte Sänger mit einer Ausstrahlung, bei der man die Freude an der Musik auch in den strahlenden Augen wieder finden konnte. Die sechs musikalischen und professionellen Sänger und A-cappella-Künstler stellen unter Beweis, dass die menschliche Stimme das schönste und vielseitigste aller Instrumente ist. Sie verfügen über verblüffende Harmonien, hintersinnigen Humor und injizieren Religion in die freilebige Jazz-Soul-Welt.
So bei „At the river“, zu dem Joey Kibble eine glaubensstarke Einführung gab und der Zuschauer fast den Eindruck hatte, er sei in einem Gospelgottesdienst. Aber nicht nur Gospel haben die sechs Herren im Programm. Mit viel Soul, Jazz und Pop, – dabei immer mit stimmlicher Prägnanz und Klarheit – sangen sie sich in die Herzen der Zuhörer. Schon mit dem ersten Lied „Straighten up“ flashten sie das Publikum. Es war als ob ein Schalter betätigt wurde, denn sie zauberten ein Strahlen in die Gesichter der Zuhörer. Das können nur Sänger, die ihre Musik nicht nur singen sondern auch fühlen. „We feel so good“ sagten sie nicht nur zu den Gästen der Wiehltalhalle, sie fühlten sich sichtbar so.
Auch als kurzfristig die Mikrophone ausfielen, hielt jeder die Luft an – nur die sechs Sänger nicht. Mit einem Lächeln sangen sie einfach weiter und zeigten damit noch mehr die Brillanz ihrer Stimmen und ihres Könnens. Nicht nur gesangliche Töne produzierten sie, teilweise schien eine Soundmaschine Töne herzustellen, die aber nur von den Sängern erzeugt wurden. Cedric Dent sprach sogar einen Satz deutsch – „Guten Abend!“ – und hatte für seine fünf Mitstreiter Plan B parat: das Publikum sollte mitsingen und den fünf zeigen wie es geht. Claude McKnight stellte verschmitzt fest, das sie eigentlich gehen könnten. Das machten sie zum Glück nicht sondern zeigten ihre außerordentlichen Fähigkeiten in höchst imponierender Weise.
Die Brüder Mark und Joey Kibble boten ein stimmlichen Kleinkampf bei „Come on“, die hervorragende Bass-Stimme von Alvin Chea kam bei „Just in time“ perfekt zur Geltung, David Thomas schob ein ausgezeichnetes „The end of the road“ ein, Cedric Dent glänzte nicht nur stimmlich sondern auch am Flügel und die Tenorstimme von Claude McKnight klang bei jedem Solopart brillant. Kein Wunder, dass „Take 6“ mehrfach mit Grammys ausgezeichnet wurde. So auch das selbst komponierte Stück „Spread Love“, das natürlich im Konzert in der Wiehltalhalle nicht fehlte.
Jeder der sechs Sänger ist ein Star für sich, ob die beiden ersten Tenöre Claude McKnight und Mark Kibble oder die zweiten Tenöre Joey Kibble und David Thomas, als auch Bariton Cedric Dent und Bass Alvin Chea. Außer Joey Kibble, der 1991 zu dem Ensemble stieß, singen sie seit 1985 zusammen. Wie sie seit Jahren ihre Songs interpretieren, ihnen den nötigen Swing und Groove geben und dabei noch gute Texte vermitteln, lässt das Zuhören immer wieder zu einem besonderen Hörgenuss werden.
So wurde dieser Abend einer der besonderen Art bei den 20. Wiehler Jazztagen. Wasserfuhr-Quartett versus Take 6 – mancher war wegen des Young-German-Jazz gekommen, andere um das grandiose Vocal-Sextett zu hören. Beides für sich ein Griff der Wiehler Jazztagemacher in die Wunderkiste – so war für jeden was Wundervolles dabei und für viele sicherlich das dann auch noch im Doppelpack.
Vera Marzinski
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Fotos: Christian Melzer
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